Hörsaalspiele

Eckenrechnen, Abtauchen, Galgenmännchen und Teekesselchen…in der Grundschule kennt jeder diese Spiele. Mal eine kurze Auflockerung zwischendurch, damit alle wieder in Schwung und die Motivation wieder in Gang kommt. Nur warum hören diese Spiele spätestens in der siebten Klasse auf? Freuen wir uns nicht alle, „zwischendurch“ mal ein Spiel spielen zu dürfen?

Doch wenn man mal überlegt, wie man beispielsweise im Hörsaal mit 100 Studenten oder mehr mal eine kurze Auflockerung gestalten könnte, steht man vor einer ganz schönen Herausforderung! Das Hörsaalspiel soll ja nicht nur Spaß machen und alle wieder „aufwecken“, sondern auch inhaltlich noch sinnvoll und stoffvertiefend sein.

Letztes Wintersemester 2012/13 sind die Teilnehmer der Veranstaltung Mathematischen Grundlagen I bei Christian Spannagel alias @dunkelmunkel an der PH in Heidelberg schon in den Genuss gekommen, solch ein Hörsaalspiel zur Übung der Primfaktorzerlegung spielen zu dürfen. Die Kommilitonen, mit denen ich mich darüber unterhalten habe, waren begeistert. Der Vorgang war der folgende: Der Hörsaal wird in zwei Teile geteilt, Christian Spannagel nennt eine Zahl und alle versuchen so schnell wie möglich, OHNE technische Hilfe deren Primfaktorzerlegung zu bilden. Die Gruppe, aus der als Erstes die richtige Lösung erklingt, bekommt einen Punkt. Eigentlich ganz simpel – nur will man ja nicht immer das Gleiche spielen. Also muss die nächste Idee her, doch das ist gar nicht so einfach wie man vielleicht denkt.

Doch es gibt einen perfekten Ort, um über genauso ein Thema zu brainstormen – und das ist? Richtig, das EduCamp! Letztes Wochenende besuchte ich mit einem Teil der Playgroup Heidelberg das EduCamp 2013 in Hamburg. Dort gab es bei Christian eine Session zum Thema, ihr werdet es nicht glauben, Hörsaalspiele. Zum Start haben wir gemeinsam überlegt, welche Elemente es überhaupt für Spiele gibt, um Inspiration für die Spielideen später zu bekommen. Die Liste ist ganz schön lang geworden: Wettbewerb, Kooperation, Zufall, Wahlfreiheit und Entscheidung, fachspezifische Spielelemente, Geschicklichkeit, Regeln, Belohnung, Narration, Überraschung, Spaß, Kreativität, Herausforderung, Ressourcenbeschränkung und Motivation. Sicher gibt es da noch viele mehr, wenn ihr noch Ideen habt, immer her damit 🙂

Das war schon mal eine gute Grundlage für das eigentliche Brainstorming – und die Menge an Ideen, die da zusammengekommen ist, ist der Hammer!

Von „Hörsaalbingo“ und „Einer gegen 100“ über „Reihenrotation“ und „Tabu mal anders rum“ bis hin zu „Wer wird Millionär“– der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt.

Die nächste Herausforderung war und ist es nun, aus dieser Vielzahl von guten Anregungen effektive und unkompliziert umsetzbare Hörsaalspiele zu entwickeln. Und wo geht so etwas besser, als auf einer 6-Stunden-Zugrückfahrt vom EduCamp nach Heidelberg? Die ersten auszuprobierenden Spiele sind diese hier:

Reihenrotation
Diese Idee war im Brainstorming abgeleitet vom allseits bekannten Eckenrechnen. Nur nutzt man hier den klassischen Aufbau eines Hörsaals und spielt in den Reihen. Die Studenten packen ihre Sachen ein und verteilen sich gleichmäßig auf die Reihen am rechten Rand, sodass in jeder Reihe 5-6 (das ist natürlich variabel) Studierende sitzen. Jetzt kommt der Dozent ins Spiel und stellt eine Frage oder Aufgabe, in unserem Fall eine zum Kopfrechnen. Antworten darf nur, wer ganz am Rand sitzt. Der oder die Schnellste darf nicht wie beim Eckenrechnen eine Ecke weiter gehen, sondern geht außen rum wieder in die eigene Reihe und alle rutschen eins auf. Die Reihe, die zuerst wieder in der Ausgangsposition ist, hat gewonnen. Eigentlich ganz simpel, aber sehr effektiv.

Bingo
Jetzt wird es mathematisch – wir gehen in das Thema „andere Stellenwertsysteme“. Jeder Studierende im Hörsaal schreibt sich 3*3 Zahlen zwischen 1 und 100 auf. Der Dozent nennt jetzt eine Zahl in einem anderen Stellenwertsystem, zum Beispiel [111] im Achtersystem. Dort haben wir nicht mehr 1er, 10er, 100er, sondern 1er, 8er und 64er. Demnach ist [111] im Achtersystem umgerechnet ins Dezimalsystem die Zahl 73. Die Studierenden müssen also, um eine Bingoreihe voll zu bekommen, fit im Thema und ebenfalls wieder im Kopfrechnen sein. Und wer als erstes eine Reihe voll hat, ruft „Bingo“.

Wer wird Millionär?
Auch dieses Format ist wunderbar in einem Hörsaal umzusetzen. Die Überlegung ist folgende: Man teilt den Hörsaal in vier Gruppen, hat zehn Folien mit jeweils einer Frage, in unserem Fall eine logische Aussage, und vier Antwortmöglichkeiten, passend dazu vier andere Aussagen, von denen eine äquivalent zur Ausgangsaussage ist. Nun müssen die Studenten herausfinden, welche dies ist. Dazu bekommen sie vorher zwei Lösungsverfahren an die Hand. Zum einen Wahrheitstabellen und zum anderen Äquivalenzumformungen. Hier kommt noch eine didaktische Komponente hinzu – die Studierenden sollen im Laufe des Spiels merken, dass die Äquivalenzumformungen die schnellere und effektivere Variante ist. Wer zuerst die Lösung hat, oder glaubt zu wissen, ruft das Ergebnis rein und wenn es stimmt, bekommt die Gruppe einen Punkt. Nach den 10 Runden hat die Gruppe mit den meisten Punkten gewonnen.
Alternativ kann man die Runden auch ohne das Reinrufen der Lösung spielen. Dann gibt es pro Folie eine bestimmte Zeitvorgabe und die Lösungen werden erst mal nicht genannt. Jeder hat am Ende des Spiels zehn Antworten untereinander stehen, die dann mit der Musterlösung auf der letzten Folie verglichen werden. Wer hat die „Millionen“ geknackt? Die Gruppe mit den meisten „Millionären“ gewinnt das Spiel.

Wie man sieht, kann eine Zugfahrt quer durch Deutschland richtig produktiv genutzt werden – nur was ist eine Spielidee ohne die Umsetzung?

Diese folgte heute Morgen in der Vorlesung „Mathematische Grundlagen I“ des neuen Semesters bei Christian Spannagel und ich war echt gespannt, wie es funktioniert und natürlich auch bei den Studenten ankommt. (Da auf dem EduCamp das Keek-Fieber um sich gegriffen hat, hier gleich schon mal ein Beispiel dafür, natürlich passend zum Thema.) Und es war ein voller Erfolg: zum Abschluss der ersten Sitzung haben die Reihen rotiert – und die Köpfe geraucht. Ja, Kopfrechnen rostet mit der Zeit ganz schön ein. Ein Tipp von Dunkelmunkel dazu war, sich einen Mathewecker auf dem Handy zu installieren (z.B. Wecker Extreme für Android). Der lässt sich nämlich nur ausschalten, wenn man ihm seine Kopfrechenaufgaben richtig löst, damit er ganz sicher ist, dass man auch wirklich wach ist.

Eine Schwachstelle hatte die Planung des Spieles allerdings noch. In manchen Reihen wurde vorgesagt. Das hat uns auf folgende Idee gebracht: Wir verbinden die Reihenrotation einfach mit stiller Post und automatisch wird aus dem „illegalen“ Vorsagen ein Vorsagen, welches erstens dazu führt, dass wirklich alle mitrechnen und zweitens auch dafür sorgt, dass die einzelnen Reihen sich mehr als Spielteam fühlen. Man muss jetzt schließlich zusammen arbeiten.

Ich bin gespannt, wie die Umsetzung der anderen Spiele und natürlich die Reihenrotation 2.0 in dieser und natürlich auch anderen Vorlesungen funktionieren wird und freue mich total drauf, live dabei zu sein.

Jetzt seid ihr gefragt! Wenn ihr inspiriert durch die Mindmap oben oder durch eigene Erfahrungen und Vorwissen auch noch Ideen oder Anregungen für weitere Hörsaalspiele habt – immer her damit 🙂 Ich freu mich auf eure Kommentare!!!

10 Kommentare zu “Hörsaalspiele

  1. ixsi sagt:

    Für erhöhte Aufmerksamkeit: Bullshit-Bingo mit mathematischen Begriffen 😉

    Sonst fallen mir noch Pyramide (nach D.T. Heck) und Wer bin ich? ein.

  2. Ich habe schon mal Schüler im Unterricht bei mir erwischt, die Lehrer-Quassel-Bingo (Name ist meine Erfindung) spielen. Es werden typische Lehrer-Ausdrücke ausgesucht und wenn der Lehrer einen Begriff verwendet, kann der Schüler den Begriff wegstreichen.
    Beliebt sind Begriffe, wie: Äh, leise, zuhören, gut, …

  3. […] der Durchführung des Spiels Reihenrotation hab ich heute mal wieder ein neues Hörsaalspiel ausprobiert. Geben wir ihm mal den Namen […]

  4. […] der Durchführung des Spiels Reihenrotation hab ich heute mal wieder ein neues Hörsaalspiel ausprobiert. Teufelchen777 gab ihm den Namen "Ring […]

  5. […] kennengelernt an einem Spielwochenende bei Oliver Tacke mit Christian Spannagel, Markus Wehrle, Janna Spannagel und Jasmin Piep. Wer gewonnen hat, weiß ich nicht mehr. Ich erinnere mich nur noch daran, wie viel […]

  6. […] Naja und davon hatte ich schließlich mehr als genug. Ein weiteres Beispiel ist Lehramtsstudentin Janna Spannagel, mit deren Unterstützung ich die restlichen Fragebogen für meine Untersuchung vorbereiten konnte. […]

  7. […] hier) und zu dem zwei Interviews stattfanden (hier und hier). Die Idee zu diesem Spiel stammt von Janna Spannagel und ich bedanke mich nochmals ganz herzlich für ihre Unterstützung bei der inhaltlichen […]

  8. […] Begriff) Hörsaalspiele schreiben. Das hielt ich für eine gute Idee, außerdem schreibe ich gern. Janna war auch sofort dabei und es dauerte nur ein paar Minuten, bis mir die ersten Fragen durch den Kopf […]

  9. […] mit dem Konzept stieß ich auch auf das Konzept der Hörsaalspiele (siehe hier und hier) […]

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